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Urteil rechtskräftig: OVM GmbH Finanzmanagement Paket von Gericht bestätigt

Auszug Gerichtsurteil Amtsgericht Gernsbach Az: 1 C 68/23 vom 26.10.2023

Beglaubigte Abschrift

Aktenzeichen: 68 C 68/23

Verkündet am: 16.10.2023

[Unterschrift]

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[Unternehmen], [Adresse]

vertreten durch den Geschäftsführer


- Klägerin -


Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte [Kanzlei], [Adresse]

gegen

OVM GmbH
Karl Grlllenberger Str. 1
90403 Nürnberg


- Beklagte -

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt [Anwalt], [Adresse]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Gernsbach durch die Richterin am Amtsgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2023 für Recht erkannt:

1. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 283,10 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.06.2022 sowie Bankrücklastschriftgebühren in Höhe von 10,00 € und Mahngebühren in Höhe von 10,00 € zu zahlen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, der Beklagten Inkassokosten in Höhe von 52,92 € (netto) zu erstatten.

3. Die Klage wird dagegen, soweit nicht erledigt, abgewiesen.

4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die klägerische Partei kann die Vollstreckung der beklagten Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gem. § 313a ZPO)

Die Parteien streiten – nach Erledigung der ursprünglich erhobenen negativen Feststellungsklage – noch um die Widerklage und die Forderung aus der Klageerweiterung aus dem Schriftsatz vom 06.06.2023 (AS 43).

Insoweit wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Soweit die Parteien dabei jeweils keine vom Vortrag der Gegenseite abweichenden Einwendungen erhoben haben, ist insoweit die Richtigkeit des jeweiligen Vortrags anzunehmen, denn gemäß § 138 Abs. 3 ZPO sind alle Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten wurden, als zugestanden anzusehen.

I.

Vorliegend haben beide Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit (teilweise, nämlich im Umfang der ursprünglich erhobenen negativen Feststellungsklage) für „erledigt“ erklärt, weshalb das Gericht gemäß § 91a ZPO insoweit nur noch „nach billigem Ermessen“ durch Beschluss über die anteiligen Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden hatte, soweit die Erledigung eingetreten war.

II.

Hinsichtlich des streitig zu entscheidenden Teils war davon auszugehen, dass die Beklagte und Widerklägerin (im Folgenden nur: Beklagte) ein Dienstleistungsunternehmen ist, das u. a. online ein gebührenpflichtiges Kredit-Finanzmanagement-Paket anbietet.

Dazu hatte die beklagte Partei substantiiert und unter Vorlage der entsprechenden Ausdrucke vorgetragen, dass sich Kunden auf der Website der Beklagten kostenpflichtig für das Produkt (Kredit-Finanzmanagement-Paket) anmelden können und sodann sowohl per E-Mail als auch per Post von der Beklagten eine Bestätigung über den Vertragsschluss erhielten; mit dieser Bestätigung bekomme der Kunde auch die Zugangsdaten, mit welchen die Kunden dann sofort die Leistungen des Kredit-Finanzmanagement-Pakets in Anspruch nehmen könnten.

Immer dann, aber auch nur dann, wenn Kunden über den Werbelink aus einer E-Mail der [Kooperationspartner] zu dem Anmeldeformular der Beklagten gelangten, werde auf dem Bestellformular, das der Kunde sodann online an die Beklagte versendet, in der letzten Zeile ein bei jeder E-Mail der [Kooperationspartner] automatisch und nach dem Zufallsprinzip generierter Code angezeigt, anhand dessen die Beklagte nachvollziehen kann, dass der Kunde über den Werbelink aus einer Mail der [Kooperationspartner] auf das Bestellformular gelangt sei.

Die von der Klägerin bei der Beklagten getätigte Bestellung des Kredit-Finanzmanagement-Pakets könne daher zweifelsfrei nachvollzogen werden, weil die Firma [Kooperationspartner] ihre E-Mails an ihre Kunden mittels R-Mail versende, ein authentifiziertes Programm, welches das Versenden, den Zugang und das Öffnen einer E-Mail beweissicher und unmanipulierbar dokumentiere.

Anhand des mittels R-Mail automatisch generierten Zustellungsnachweises stehe fest, dass die E-Mail der [Kooperationspartner] mit dem zum Bestellformular der Beklagten führenden Werbelink der Klägerin an deren E-Mail-Adresse [E-Mail-Adresse] zugestellt worden sei am 08.05.2020 um 15:29 Uhr, und dass diese E-Mail geöffnet worden sei am 08.05.2020 um 15:30 Uhr (Anlage B2, AS 87).

Die Klägerin habe offenbar den Link in der E-Mail der [Kooperationspartner] sofort angeklickt und mittels dessen das kostenpflichtige Kredit-Finanzmanagement-Paket der Beklagten bestellt, denn die Beklagte habe nämlich die von ihrem System nach einer erfolgten Bestellung automatisch generierte Informations-E-Mail bereits am 08.05.2020 um 15:33 Uhr erhalten (Bestellformular der Klägerin vom 08.05.2020 als Anlage B3, AS 89).

Bei dem Online-Bestellformular der Beklagten handelt es sich um ein PHP-Formular, welches auf dem Server der Beklagten (....) liege. In dieses gebe der Kunde seine Daten direkt auf dem Server der Beklagten ein. Als Nachweis über den Bestellvorgang sende der „ovmgmbh-Server“ die in das Bestelltemplate eingegebenen Daten an die Beklagte, um den Bestellvorgang physisch abzubilden. Da diese E-Mail unmittelbar von dem ovmgmbh-Server gesendet wird, laute die E-Mail-Adresse stets „Email, wobei dieser jeweils der aus dem ausgefüllten Template gezogene Nachname des Kunden vorangestellt werde, wie dies vorliegend mit „[Nachname]<Email>“ der Fall gewesen sei.

Die Beklagte hat ausweislich der Anlage B3, Aktenseite 89 von der Klägerin nicht nur deren gesamte persönliche Daten gehabt wie etwa Name, Vorname, Adresse, Geburtsdatum, Handynummer und E-Mail-Adresse, es war der Beklagten ebenfalls gelungen, in den Besitz eines SEPA-Lastschriftmandats zu kommen, wonach die Beklagte vom Konto der Klägerin per Lastschrift monatlich den mit der Klageerweiterung zurückverlangten Betrag von 14,90 Euro ab Juni 2020 bis einschließlich Oktober 2021 abbuchen konnte.

Das Gericht hatte die Parteien auf folgende Situation hingewiesen:

Die klägerische Partei habe vorliegend nicht nur die volle Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchshemmenden oder -vernichtenden Umstände. Wegen des Umstandes, dass die klägerische Partei von 06/20 bis 10/21 – und damit 15 Monate – monatlich die Abbuchung der Nutzungsgebühr vom Konto unwidersprochen geduldet hatte, ohne Einwendungen zu erheben, sei vorliegend eine Beweislastumkehr zu dem Umstand anzunehmen, ob eine vertragliche Zahlungspflicht ursprünglich begründet worden sei; die klägerische Partei habe darzulegen und zu beweisen, dass der Vertrag NICHT zustande gekommen sei, etwa durch den Nachweis, dass am 11.05.2020 nicht die E-Mail mit den Zugangsdaten (Anlage B5) auf ihrem Gmail-Konto eingegangen sei.

Die klägerische Partei hat dann lapidar und pauschal u. a. bestritten, dass die Beklagte der Klägerin diese E-Mails geschickt habe. „Der Unterzeichner hat sich bei der Klägerin nach Erhalt der Klageerwiderung und Widerklage ausdrücklich noch einmal nach einer E-Mail der Beklagten oder der Firma [Kooperationspartner] erkundigt. Die Klägerin ist sich sicher, keine E-Mail oder „R-Mail“ von der Beklagten oder einer Firma [Kooperationspartner] erhalten zu haben, weder am 08.05.2020 noch am 11.05.2020.“

Möglicherweise hätten sich Dritte diese Daten beschafft, z. B. aus einer gehackten Datenbank. Über ein Datenleck der verschiedensten Internet-Plattformen könnten Kriminelle massenhaft personenbezogene Daten erlangen, möglicherweise hätten Dritte die Daten der Klägerin missbräuchlich verwendet.

Dies genügt nicht.

Es hätte der Klägerin freigestanden, den substantiierten Vortrag der Beklagtenseite, sie habe die E-Mail der Beklagten am 08.05.2020 um 15:30 Uhr geöffnet und um 15:33 Uhr – nach Bestellung – quasi beantwortet, zu widerlegen.

Auch hierzu erfolgte kein Vortrag, außer einem völlig pauschalen Bestreiten, was in dieser Prozesssituation nicht nachvollziehbar ist.

Soweit die Klägerin angibt, dass eine Umkehr der Beweislast nicht anzunehmen sei, weil ein Kontoinhaber auch über 15 Monate stattfindende monatliche Abbuchungen nicht bemerken müsse, sei es aus Krankheit, Urlaub oder Nachlässigkeit, ist dies ohne weiteren substantiierten Vortrag zur Bildung und Gesundheitssituation etc. der Klägerin nicht nachzuvollziehen. Dies mag bei gesundheitlich angeschlagenen Personen oder Personen, die aufgrund ihres Alters in ihrer Geschäftsfähigkeit bereits reduziert sind, nachvollziehbar sein, kaum aber bei Personen, die wie hier 1969 geboren wurden. Es hätte der Klägerin auch freigestanden, sich bei ihrem Kreditinstitut zu erkundigen, mit welchen Unterlagen und zu welchem Zeitpunkt das SEPA-Lastschriftmandat dort bei dem Kreditinstitut eingereicht worden ist, um weitere Anhaltspunkte für eine mögliche Manipulation zu gewinnen, was gleichfalls nicht vorgetragen worden war.

Wieso sollte die Klägerin bei ihrem Kreditinstitut ein SEPA-Lastschriftmandat einreichen, wenn sie nicht einen Vertrag geschlossen hat? Oder hat sie das nicht? Wieso erfolgt dazu kein Vortrag?

Ob und wie lange de E-Mail-Speicher der Klägerin die empfangenen Daten – auch eventuell gelöschte Daten – speichert, hat die Klägerin gleichfalls nicht ansatzweise vorgetragen, sondern nur die Frage aufgeworfen, „wie“ sie nachweisen solle, dass sie eine E-Mail nicht erhalten habe.

Ob die Klägerin die Abbuchungen positiv erkannt hat oder hätte nur erkennen müssen, ist dabei ohnehin zivilrechtlich unerheblich. Bei Abbuchungen, die länger als ein Jahr monatlich regelmäßig folgen, kann typischerweise davon ausgegangen werden, dass der Kontoinhaber diese hätte erkennen können/erkannt hat und nach dem ihm bekannten wirtschaftlichen Geschehen aus der Vergangenheit auch als zutreffend gebilligt hat.

In dieser Situation reicht es nicht mehr, lapidar einfach das Zustandekommen eines Vertrages zu bestreiten, ohne die in diesem Zusammenhang bestehenden Rahmenbedingungen insgesamt zu entkräften.

Dies ist nicht geschehen, ohne zu erläutern, wieso.

Daher war auch vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerin den Bestellvorgang, wie substantiiert von der Beklagten behauptet, getätigt hat und dass somit im Mai 2020 ein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande kam.

Damit war also ein Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten über eine Laufzeit von 24 Monaten zu einem Gesamtpreis von 357,60 € anzunehmen, wobei der Kaufpreis monatlich mit Raten von 14,90 € zahlbar war.

Wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, hat sie ab Juni 2020 bis Dezember 2021 auch Monat für Monat die Raten bezahlt, wobei sie die Raten für November 2021 und Dezember 2021 von ihrer Bank zurückbuchen ließ. Insgesamt hat die Klägerin an die Beklagte 17 Monatsraten à 14,90 € bezahlt mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 253,30 €, sodass aus der ursprünglichen Vertragslaufzeit von 24 Monaten noch ein Restbetrag in Höhe von 104,30 € zur Zahlung offen ist.

In den AGB der Beklagten aus dem Jahr 2020, die nach der damaligen Rechtslage auch wirksam waren, war vorgesehen, dass sich der Vertrag um weitere 12 Monate verlängert, wenn er nicht rechtzeitig von einer Partei gekündigt worden ist (Ziffer 3 der AGB, Anlage B6).

Nachdem der Vertrag zum ersten Laufzeitende nicht gekündigt worden war – das erste Anwaltsschreiben, was entsprechend interpretiert werden könnte, datiert vom 21.02.2023, AS 21 – verlängerte er sich somit um weitere 12 Monate, sodass zusätzlich zu den offenen sieben Monatsraten aus der Ursprungsvertragslaufzeit noch zwölf weitere Monatsraten à 14,90 € von der Klägerin geschuldet werden (178,80 €), die entsprechend den AGB der Beklagten (Ziff. 5, letzter Satz), wonach der noch offene Gesamtbetrag sofort zur Zahlung fällig wird, wenn sich der Kunde mit mehr als zwei aufeinanderfolgenden Raten sich schuldhaft in Verzug befindet, insgesamt fällig waren.

Dies ist bei der Klägerin der Fall, weshalb sie von der Beklagten zuletzt am 27.05.2022 zur Zahlung des insgesamt offenen Rest(gesamt)betrags in Höhe von 283,10 € zzgl. 10,00 € Rücklastschriftgebühren der Bank (für die Rückbuchung der Monate November und Dezember 2021) und Mahngebühren in Höhe von 10,00 € (zwei Mahnungen à 5,00 €) aufgefordert worden war.

Damit schuldet die Klägerin der Beklagten den mit der Widerklage geltend gemachten Betrag aus dem zwischen den Parteien wirksam zustande gekommenen Vertrag, was zugleich zur Unbegründetheit der Klage(erweiterung) führt (AS 43).

Da sich die Klägerin mit der Zahlung in Verzug befand, hat sie der Beklagten auch Inkassokosten zu erstatten, die gem. § 287 ZPO wie folgt geschätzt werden:

Gegenstandswert: 283,10 €

1,9 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG 44,10 €

Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 8,82 €

Gesamtbetrag 52,92 €

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt entsprechend dem Obsiegen aus § 91 ZPO, die Regeln über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 ff. ZPO.

Das Gericht hatte im Umfang der Teilerledigung gemäß § 91a ZPO insoweit nur noch „nach billigem Ermessen“ über die anteiligen Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden, soweit die Erledigung eingetreten war, was zum selben Ergebnis geführt hätte, nämlich der Auferlegung der anteiligen Kosten auf die klägerische Partei, wenn insoweit ein eigener Gegenstandswert anzunehmen wäre.

Einen Grund, gem. § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausnahmsweise die Berufung im Urteil ausdrücklich zuzulassen, sieht das Gericht nicht, weil der Rechtsstreit keine Besonderheiten insoweit aufweist, wonach zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung selbiges geboten wäre.

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